Institut für Betrachtung

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Hans-Jürgen Hafner

Buchpreisfrage (zu Kito Nedo, Print lebt. Süddeutsche Zeitung, 30.09.2016)

Erst im letzten Satz ist der Sprengstoff versteckt, der Kito Nedos erstaunten Überblick angesichts des von einer Handvoll internationaler Großgalerien angeheizten Trends unter dem eigenen Dach realisierter verlegerisch-publizistischer Großprojekte über die allfällige Diagnose hinaus brisant macht. Hat dieser Trend - mit allen Konsequenzen für die Informations- und Wissensökonomien der Kunst generell und alle daran Beteiligten - seinen Scheitelpunkt längst nicht überschritten, ist dies, wie Nedo schreibt, doch vor allem ein weiterer Baustein einer „paradoxen Minus-Ökonomie“, auf die 'der' Kunstmarkt bauen kann.
Paradox ist diese Ökonomie in der Tat, unerklärlich nicht. Der Künstlerkatalog ist eine Erfindung der Kunsthändler Ende des 19. Jahrhunderts. Damals ging es darum künstlerisch Neues, von den offiziellen Instanzen nicht Akzeptiertes durchzusetzen. Die regen verlegerisch-publizistischen Aktivitäten weniger big players - das deutet Nedo leider nur an - flankieren ein Geschäftsfeld, das sich so erst in den letzten eineinhalb, zwei Jahrzehnten etabliert hat: mit der flächendeckenden Aufarbeitung und Verwertung von Künstlernachlässen wurde Kunstgeschichte selbst zu einer Ware. Eine Ware, nach der es zudem eine Nachfrage gibt. Der Grund: die für ihr Zustandekommen wie ihre Revision zuständigen Stellen - vor allem die, zumindest in Europa, öffentlichen Museen aber auch die akademischen Instanzen - kommen ihrer Aufgabe immer weniger nach; oder es gelingt ihnen nicht mehr ihre zumindest akademisch immer besser werdende Arbeit in die öffentlichen Diskurse einzuspielen. Beides hat vor allem mit Geld aber auch mit Aufmerksamkeit zu tun.


Welches deutsche Kunstmuseum heute noch seinem Kernauftrag, dem Sammeln, Bewahren und der Präsentation von Kunst, noch nachkommt? Welches ihm noch - aufgrund falscher kulturpolitischer Rahmenstellung mindestens ebenso sehr wie aufgrund finanzieller Unterdeckung - noch nachkommen… darf? Umso besser also, wenn sich gut gemachte Kunstgeschichte bei den Händlern des Vertrauens zukaufen oder wenigstens anmieten lässt: Klingt Pettibon in den Deichtorhallen zwischen Großgalerie-initiierten Buchdeckeln nicht wie ein mit öffentlichen Geldern förderungswürdiges ‚sharing‘-Modell?
Einen wichtigen Punkt verschweigt Nedos Text: die "paradoxe Minus-Ökonomie“ war zumindest auf dem deutschen und österreichischen Kunstbuchmarkt schon immer ein Effekt verfehlter Förderpolitik, gepaart mit strukturell falschen wirtschaftlichen Vorstellungen. Seit Jahrzehnten ist ein beträchtlicher Teil der Kunstbuchproduktion massiv öffentlich gefördert, nicht selten aufgrund kommerzieller Interessen (von Händler- wie Sammlerseite) querfinanziert, a priori unwirtschaftlich. Kunstverlage profitieren von diesem Modell, machen ein Gros ihres Angebots voll vorfinanzierte Publikationen aus, deren Lagerung und Vertrieb man sich selbstredend bezahlen lässt. Wenn Nedo Verlagsaussteiger Christoph Keller zitiert, hat sich dessen Einschätzung nochmals verschärft: gespart wird entsprechend an allen Fronten der Produktion. Die Arbeit von Schreibern, aber auch zunehmend die von Fotografen, Grafikern, Übersetzern, Lithographen, Druckern und vor allem die der Künstler selbst wird flächendeckend immer weniger wert.
Einflusslos bleibt ‚die‘ Öffentlichkeit auf diese Dynamik natürlich umso länger, je mehr die Mär von ‚dem‘ Kunstmarkt oder gar ‚der‘ Kunst aufrecht erhalten wird. Alle drei setzen Beteiligung voraus. Mal nachzählen, wie viele sich beteiligen und wie viele davon profitieren.

http://www.sueddeutsche.de/kultur/galerien-print-lebt-1.3186273

Kito Nedo, Kunstpublikationen

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