Institut für Betrachtung

Zurück zur Startseite

Philipp Höning

Mit dem Holzhammer (Hammer Museum L.A., 2017)

guter Kaffee vorm Hammer Museum, Los Angeles, M heißt hier XL. Eine Stunde in der Warteschlange gestanden, wir wurden x-fach vom Sicherheitsmann US-eloquent dazu aufgefordert, nicht den ganzen Gehweg zu blockieren.

Nach guter,

ausführlicher

geistiger Vorbereitung auf einen Museumsbesuch

dann richtig hineingestolpert,

orientierungslos, überrascht,

die Frage,

ob man sich noch einmal anstellen könne

wird von selbigem mit einem Blick auf einen beliebigen Punkt am Horizont quittiert.

Vergiss alles, was du weißt. dann,

Cy Twombly, Untitled (roses)

Rasender Schmerz auf drei riesige Leinwände gekämpft.

Twomblys Exzess macht vor der Erlösung halt. Es ist die gemalte Form ungedeckter Checks und dritter Mahnungen in überquellenden Briefkästen. "Lose Enden" im Kampf gegen das Realitätsprinzip. Er überdreht das Farbausschütten nicht bis zur emotionalen Leere. Die Welle bricht genau an dem Punkt, an dem die Befreiung aus der Beklemmung beginnen könnte. Der Todestrieb, der jedes Begehren auf einen gähnenden Abgrund zusteuern lässt, um sich selbst auszulöschen, wird durch Unausgegorenheit überlistet.

Suspension, Verlangen ohne Erfüllung. An diesem Punkt ist eine Traumatisierung möglich, die wie ein nie enden wollender Slapstick daherkommt und dem Darsteller jede Würde nehmen kann. Als ob er genau wüsste, dass das von der Seele malen Schiefheilung bedeutet, erhält er sich den Moment der Katastrophe.
 Performatives Leben und Arbeiten im Moment des höchsten Drucks, nicht einfach nur das Ergebnis davon. Ich möchte vor dem Bild
 wegrennen, das auf mich wirkt wie ein zu heiß brennendes Lagerfeuer.
 
 
Peter Halley, Califonia Curcuit

Ungegenständliche Formensprache, Peter Halley lässt eine
 Ahnung von Abstraktion zu, lässt den Blick seinen 
Linien folgen, führt den Betrachter aber ins sichere
 Verderben von Strukturpaste auf Leinwand. Jeder Versuch, 
einen Zugang zu finden, implodiert sofort in der Oberflächlichkeit des Strukturpastenwahns. Ungegenständliche Malerei, ich weiß es nicht, von höchster Qualität vielleicht, endgültig verdichtete, nie gesehene Präzision in der Abgrenzung der Farbflächen zueinander, wahrscheinlich von x Assistenten hergestellt, bricht an einer Rauhfasertapeten-Sehbeleidigung zusammen. Ein Schwarzes Loch, eine kurze Ahnung von Malewitsch, dann aber wirklich Rauhfasertapete.

Die Bilder schreien nach Jahrzehnten noch unverändert laut: Ich will dich hier nicht haben, verpiss dich aus meinem Atelier. Kunst, die jeder Grabscherei den Rücken kehrt, die Sinnlichkeit als Erstzugang proklamiert, jedem kulinarischen Wichsgriffel ein einfaches Mögen verunmöglicht, gegen jeden Kunstmarktzugang, gegen jede didaktische Dimension.

Es wird Ware, wie jedes Kunstwerk irgendwann entweder Ware oder Müll ist, aber es bleibt unantastbar.

We reserve the right to refuse service to any individual (Mc Donalds)
 
 
Ruff, jpegs
 
Man blickt von Halleys Nichtbildern in den benachbarten Raum, und sieht schon Ruffs jpegs, wie sie sich nach allen Regeln der Kunst anbiedern. Format, Material, alles löst sich in Gefälligkeit auf. Wo Tillmanns loslässt und Wahrheit durch Fragilität ermöglicht, bleibt Ruff auf einer Kopie von Fragilität stehen, die ausreicht, um die Sehgewohnheiten zeitgenössischer Internetnutzer zu bedienen.
Pixelhaufen, ein Bild, das auf dem Monitor seltsam instabil wirkt und jederzeit verschwinden kann, wird bei ihm erstmal reflexartig in Warenform gebunden, aus Gewohnheit oder Kalkül, wir wissen es nicht. Diese ganze moderne digitale Technik und ihre Ästhetik (2009!), Verpixelung durch Vergrößerung, macht hier die ästhetische Arbeit, er kann sich damit aber nicht zum Vorreiter von Kunst ohne Künstler machen. Peter Halleys Kunst verabschiedet sich sogar vom Künstler, ohne dass es diese technische Ebene der Entfremdung gibt. Sie sagt einfach:
Verpiss dich Peter.
 
Ruff klammert sich 2009 an dem fest, was er für Zeitgeistoptik hält, wie an einem teuren Rotmarderpinsel. Legt hier und da noch ein paar Duftspuren von Pointillismus ab, Moderne als Leerbegriff für das Kunstsammlergespräch in der Messekoje. Die Motive auch zeitgeistig. Man muss wissen, dass Ruff alle möglichen Bilder gejpegt hat. Meist bereits Fundstücke aus dem Internet, teilen alle eine gewisse Katastrophenästhetik. Ein durchgehendes Narrativ gibt es nicht. Als kuratorischer Kunstgriff hier eine Nebeneinaderstellung von 911-Trümmern, dem Riesenhochhaus in Dubai und dem brennenden Präsidentenpalast in Bagdad. Suggerierter Inhalt, geschichtliche Querverweise, die null aufgehen.
Wie eine angedeutete aber nicht ganz ausgesprochene Verschwörungstheorie, die um zustimmendes Nicken, vorgespieltes Interesse winselt. „Du weißt schon, die Rotmarder...“. Ruff ist nicht dumm. Ein Bild ist ein Bild, und an diesem Punkt wird es dann noch viel schlimmer.

Als reines Kunstobjekt betrachtet, weist es ab, bleibt doch bei sich. Aus der widerständigen Sphäre des Pressebildes, aus der Mainstreamverhärtung ist es zur reinen kritiklosen Bildverhärtung verkommen. Anstatt im Bild eine Kontingenz zu bewahren, wie es bei Twombly noch möglich erscheint, schließt er es auf der Ebene seiner CNN-Brutalität ab. So weit so gut, wie das Pressebild uns die Version aufzwingt, die wir alle wiederholen und runterbeten, weil uns keine anderen Bilder zur Verfügung stehen und zur Erklärung nur unsere alten,
falschen,

weil ungenauen
und durch Interesse
verfälschten
Narrative bleiben, stellt er das jpeg als Affirmation industriell produzierter Wahrheit auf. Das Bild und der Apparat dahinter, sie entwickeln damit aber eine Autonomie, die uns als Zeugen gleichzeitig jeder Autonomie beraubt.

Abweisend, hart, komplex moralzersetzend, und komplex falsch, das ganze Anziehende der medialen Gewaltagenda erdrückt mich hier in diesem Moment, spielt vor, dass wir zwischen Bildern zerrieben werden, nicht zwischen politischen, realen Vorgängen und erzählt damit die nächste Lüge aus.

Die Bilder hier wiederholen einfach nur diese brutale Flachheit, sie werden Verstärker des barbarischen, irrelevanten Medienzirkus, ohne jedes Potential es zu hinterfragen.

Man muss es mal wirklich [...]: 
Ein Millionär (der Ruff vielleicht ist) aus der Wohlstandsmitte der westlichen Welt stellt ein Bild vom 11.9.2001 aus und sagt: Ein Bild ist nur ein Bild. Diese Tatbestandsaufnahme allein kann einen schon um den Verstand bringen.

Es reicht nicht aus, in einer barbarischen Welt naiv zu sein. Es ist dumm und falsch. Falsch, weil diese Wiederholung von Barbarei die Komplexität der Prozesse hinter den Bildern zusammenbrechen lässt, unter dem Vorwand, es würde ausreichen, auf die Unschuldigkeit von Bildern zu plädieren. Und hinten rum kassiert es doch noch die FAZ-Terrornarrative zwischen den Bildern als Eintrittskarte ins Feuilleton mit ein. Dumm, weil es eine ungewollte Parteinahme bedeutet. Weil man mit seiner Interesselosigkeit den politischen Interessen gegenüber, die immer hinter diesen Bildern lauern, einen Blankoscheck ausstellt. Schließlich fallen diese Bilder nicht in einen ideologiefreien Raum, sondern in eine primitive Lesart hinein, die der Künstler in der Gesellschaft vorfindet, er fügt ihr nichts hinzu, stellt ihr kein Bein, er schwingt auf ihrer Frequenz mit.

Das ist genau das, was bei Ruff passiert. Er zeigt, wie Bilder Komplexität vernichten, vernichtet durch seine Form des Bildes auf Alu Dibond weiter Komplexität und erzählt diese Story auf genau dieser Ebene aus. Und dass genau diese Vernichtung von Komplexität analog läuft zum Prozess, der das Bild zur Ware gemacht hat, sagt eigentlich schon sehr viel über den Markt aus, den er damit bedient.

Wahr, Falsch, Dumm. Dünnes Eis, über schlechte Kunst kann man viel sagen, aber, und jetzt tut es weh, die ganze Schreiberei, es war umsonst. 
Man lernt wirklich nichts aus schlechter Kunst, man lernt absolut nichts daraus. Es ist reine Zeitverschwendung. Man weiß, was daran schlecht ist, wusste es schon vorher und jetzt sieht man es halt mal, das Falsche springt einen an und gut, man hat drüber nachgedacht und es zerschellt halt an den eigenen Wertvorstellungen, die vielleicht auch falsch sind. Falsch, weil eindimensional.

Martin Creed

The whole world + work of art = the whole world

Das könnte Ruff sich mal vom Damm bis zum Schaft eintätowieren lassen.

Und dann doch Oehlen, zusammengeschossene, kaputte Formensprache von 2008. Das gleißende Licht der Nullerjahredunkelheit, wie Rainald Goetz es mal perfekt ausgedrückt hat.
Die Bilder blenden, aber nicht so, wie eine Explosion über dem Präsidentenpalast, eher wie ein nächtlicher Computerbildschirm. Mattweiß. Oehlen trägt die ganze Substanz unserer vergreisten Kultur auf, lose Pixelfäden und jäh abbrechende Verläufe. Das Prekäre wird anerzählt, wie bei Twombly, der Zusammenbruch im Moment des Zusammenbruchs, nicht danach. Ewig in die Länge gezogene Trauerprozesse über Licht und Schatten, Tiefen, die ihre Bedeutung verloren haben, Trauerprozesse, die bis jetzt andauern. Das in der Leinwand verriebene 2008er-Subjekt fällt permanent auseinander und spuckt dem Betrachter zornig ins Gesicht. 
Oehlen ist der Zeuge, den Ruff in seinen Bildern aufruft.

Oehlenbilder, die Ruff-Bilder kaufen, eine gute Vorstellung, Versöhnung ist möglich.

Hirnverdichtung, endlich wieder mit echtem Herzklopfen eine Ausstellung verlassen. Auf wiedersehen Thomas Ruff, Peter Halley, Cy Twombly

und Murakami gab es auch noch, Jeff Koons hat abgeliefert, gar nicht übel, einen Hasskünstler zu verlieren. Seine Kunst muss unglaublich teuer sein, aber es ist sehr gut.

Zurück zur Startseite

Zurück